Free Fire

Blu-ray Review

Free Fire Blu-ray Review Cover
WVG/Splendid, 25.08.2017

OT: Free Fire

 


Masel tov

Viel mehr an leergeschossenen Patronenhülsen kann man in 90 Minuten Film kaum packen …

Inhalt

Boston 1978: Frank, Stevo, Bernie, Chris und die geheimnisvolle Justine warten irgendwo am Hafen auf die Ankunft eines gewissen Ord. Gemeinsam empfangen sie nach dessen Ankuft einen Typen namens Vernon und dessen Kumpel Martin. Es geht um Waffen. Ziemlich schwere Waffen. Die hat Vernon in einem Transporter. Doch die gelieferten Wummen sind nicht die, die Chris gerne hätte. Es herrschen also schon nach zwei Augenblicken ziemliche Spannungen zwischen den Vertragspartnern. Als dann auch noch frische Zwistigkeiten zwischen Stevo und einem der Waffenhändler dazwischen kommen und Provokationen sich die Hand reichen, eskaliert die Situation. Der erste Schuss fällt und von da an verwandelt sich das Lagerhaus, in dem die Waffenübergabe stattfindet, in einen Kriegsschauplatz – nur mit mehr Geballer …

Nachdem Ben Wheatley zuletzt mit High Rise visionäre Gesellschafts-Endzeit-Dystopie inszenierte, die sich bereits für einen zukünftigen Kultanspruch empfahl, lässt er mit Free Fire nun die Waffen sprechen und präsentiert einen Mix aus Shoot ‚em up und dem französischen Das tödliche Wespennest. Dazu mischt er das 70er-Jahre-Flair mit entsprechenden Klamotten und einem passenden Rock-Soundtrack der Zeit. Paart man dann noch locker-flockige und coole Sprüche, die sich über ihre eigenen machohaften Plattitüden lustig machen und lässt die Dialoge von einem Cast vortragen, das sich aus einigen der besten Genre-Haupt- und -Nebendarsteller rekrutiert, dann sieht man das Wort „Kult“ um die Ecke lugen. Nicht ganz zu Unrecht, denn die knappe Geschichte, die auf ungefähr zwei Seiten eines Drehbuchs Platz findet, definiert sich über das begrenzte Szenario in bester Reservoir-Dogs-Manier, die hitzige Atmosphäre und die absolut eigenwilligen Charaktere. Es ist schon selten, wenn ein Film insgesamt zehn Figuren einführt und man sie nach 25 Minuten allesamt locker auseinanderhalten kann. Keiner ist wie der andere, alle haben ihre typischen Eigenarten und es reichen zwei, drei kurze Details aus, um sie verorten zu können. Free Fire darf sicher dankbar sein für einen Cillian Murphy, der immer eine gewisse Genialität in seine Figuren legt. Oder für einen Sharlton Copley, der sich mehr und mehr zum südafrikanischen Export-Schlager entwickelt. Natürlich auch für einen Sam Riley, der mal nicht den eleganten Gentleman spielt, sondern den hibbeligen Aggressor.

Über allen thronen allerdings Armie Hammer als obercooler Stratege und die geniale Brie Larson, deren sensationelles Augenverdrehen im Rücken von Vernon zeigt, wer im Film wirklich die Hosen anhat (25’15) – eine einzige Mimik, die schlicht sensationell rüberkommt. Schauspiel und straffe Inszenierung sorgen dafür, dass die Atmosphäre stetig intensiver wird, bis sie sich nach 28 Minuten entlädt und zu einem fast 60-minütigen Showdown übergeht, gegen den das Geballer aus John Wick fast wie Kindergarten-Karussell wirkt. Dabei nutzt Wheatley ziemlich ausgiebig ein Detail, das er im Bonusmaterial erklärt: Er lässt immer wieder Körpertreffer zu, erledigt aber lange Zeit keinen. Auf diese Weise sind die Protagonisten irgendwann absurd verletzt und schon zum Kriechen fast unfähig, doch sie schießen weiter und weiter. Sie lamentieren über ihren Blutverlust (grandios zimperlich: Sharlton Copley) und zicken sich an wie eifersüchtige Teenager. Dazu gesellt sich der 70er-Jahre-Orgelsoundtrack, der das Geschehen virtuos untermalt und es fast wie ein Ballett wirken lässt. Dass das Dauergeballer auf Dauer nicht ermüdet, liegt daran, dass Wheatley immer wieder neue Einstellungen findet oder mit explodierenden Gasflaschen weitere Dimensionen eröffnet. Dazu streut er witzige Details ein, wie jene, dass zwar die meisten Schüsse daneben gehen, ein aus der Deckung geworfener Stein aber direkt sein Ziel trifft. Oder wenn er ausgerechnet Hypochonder Vernon dazu zwingt, sich selbst mit einem Feuerlöscher zu bearbeiten. Und wenn dann zum Ende hin den Waffen die Munition ausgeht und man auf Tötungsalternativen zurückgreifen muss, wird’s gar richtig brutal – immer ironisch überhöht, versteht sich.
Ja, der Kultfaktor ist hoch und während Free Fire im Kino nicht sonderlich erfolgreich lief, so sollte gerade das Videopublikum derart irrwitzige Filme in ihren verdienten Status erheben – Pflichtkauf für alle Freunde von überdrehten Genrewerken.

Bild- und Tonqualität

Man sieht’s an den Screenshots auf dieser Seite: Free Fire ist gemäß der Zeit, in der er spielt, ziemlich gefiltert und vor allem im Lagerhaus beständig gelblich. Allerdings im laufenden Film dann doch nicht so drastisch wie auf den Bildern. Die Kontraste passen sich der Filterung an, überstrahlen bisweilen aber etwas auf den Gesichtern. Ebenso versumpfen Details schon mal in den dunklen Szenen und während Schwenks und Bewegungen verwischt das Bild schon mal etwas. Ab und an zeigt sich außerdem etwas Korn, was aber nie störendes Ausmaß erreicht. Die Schärfe ist in den guten Momenten homogen verteilt und lässt auch an Bildrändern nicht nach.
Während des Rocksongs zu Beginn von Free Fire noch ganz nett aufgelöst rüberkommt, klingen die Stimmen während der Dialoge auf der hiesigen Fassung etwas gedrungen. Ganz anders – glücklicherweise – die Vertonung der Waffen. Schon der erste Probeschuss hallt dermaßen prägnant durchs Heimkino (ab 13’36), dass man sich bereits auf die versammelten Shoot-outs freut, die folgen werden. Gerade aber die vereinzelt abgegebenen Schüsse erfreuen das Herz, wenn die Querschläger durch den Raum zischen und irgendetwas von irgendwo aus der Halle zu Bruch geht oder runterrieselt – ein großer Spaß. Der noch mal größer wird, wenn sich eine dritte Partei mit schwereren Waffen einschaltet. Vermutlich gab’s schon lange keinen Film mehr, der eine derartige Vielzahl einzelner direktionaler Effekte nutzte, die allesamt sitzen und ihr Ziel zwar verfehlen, aber umso großartiger im Heimkino landen. Spätestens, wenn Gasflaschen getroffen werden und die Lagerhalle auf links krempeln, wächst im Wohnzimmer kein Gras mehr (54’00).

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Free Fire gibt’s eine B’Roll sowie fünf Interviews mit den Darstellern. Im Making-of kommen alle noch mal zu Wort. Regisseur Wheatley stellt dabei heraus, dass er sich intensiv mit der Recherche zu echten Shoot-outs beschäftigt hat und überrascht war, dass nicht jeder Schuss ein Treffer ist, wenn trainierte Schützen agieren und auf bewegte Ziele feuern. Das übernahm er dann in seinem Film. Ebenfalls erstaunlich ist die Tatsache, dass er seinen Film praktisch „on the fly“ schneidet und am Ende des Tages quasi fertige Szenen im Kasten hat.

Fazit

Free Fire gehört in eine Reihe neben Shoot ‚em up und John Wick und sollte exakt die gleiche Klientel erreichen und erfreuen. Was Wheatley während der knapp 60-minütigen Schießerei auf engstem Raum abfackelt, ist schlicht großartig, sucht seinesgleichen und verdient sich den hohen Kultfaktor redlich. Dazu gehört der Sound zum effektvollsten und spaßigsten, das man lange Zeit gehört hat.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 90%
Tonqualität (Originalversion): 95%
Bonusmaterial: 40%
Film: 90%

Anbieter: WVG/Splendid
Land/Jahr: GB, F 2016
Regie: Ben Wheatley
Darsteller: Sharlto Copley, Armie Hammer, Brie Larson, Sam Riley, Cillian Murphy, Jack Reynor, Michael Smiley, Enzo Cilenti, Babou Ceesay, Noah Taylor
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 90
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu Free Fire

Free Fire - Trailer#1 Deutsch HD - Brie Larson - Armie Hammer - 06.04.2017 im Kino!

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